Interview von Henri Kox im Luxemburger Wort

"Dem öffentlichen Interesse dienen"

Interview: Luxemburger Wort (Marc Hoscheid, Steve Remesch)

Luxemburger Wort: Henri Kox, bis 2023 will die Polizei 847 Personen, 607 Polizisten und 240 Zivilisten anwerben. Mit welchen drei Argumenten würden Sie einen jungen Menschen zum Eintritt in die Polizei zu überzeugen versuchen?

Henri Kox: Er repräsentiert die Sicherheitskräfte unseres Landes und hat einen ganz hohen deontologischen Kodex zu beherzigen, weil er somit hilft, das Land nach vorne zu bringen. Zweitens erlebt er eine große Solidarität in der Polizei. Außerdem bin ich erstaunt über die große Vielfalt an unterschiedlichen Berufen, die man innerhalb der Polizei ausüben kann. Es existieren zudem viele Aufstiegsmöglichkeiten. Deswegen denke ich, dass es für viele junge Menschen eine Perspektive gibt, um dem öffentlichen Interesse zu dienen. Denn das öffentliche Interesse steht über dem persönlichen.

Luxemburger Wort: Die Zahl von 847 zusätzlichen Beamten scheint ziemlich ambitioniert, wenn man bedenkt, dass die Polizei mit dem Staat und der Armee um ein begrenztes Kandidatenkontingent konkurriert. Wird die Ernüchterung nicht umso größer sein, wenn das Ziel am Ende vielleicht sogar deutlich verfehlt wird?

Henri Kox: Wir stehen auch in Konkurrenz mit dem Rettungsdienst CGDIS, der viele Personen für die Karriere BI rekrutieren möchte. Ich bin aber ein optimistischer Mensch und möchte die Menschen für den Beruf des Polizisten begeistern. Dafür bedarf es auch neuer Infrastrukturen, beispielsweise einer neuen Polizeischule, die bis zum L April nächstes Jahres fertig sein muss, um 200 Rekruten aufnehmen zu können. Ich setze alle politische Energie und finanziellen Mittel daran. Theoretisch verfügen wir über 5 000 potenzielle Kandidaten, die über das neuerdings geforderte Staatsexamen verfügen. Davon sind zehn bis zwölf Prozent Frauen, was zeigt, dass sich unsere Kampagne an beide Geschlechter richten muss. Das Potenzial ist jedenfalls da.

Luxemburger Wort: Wenn das nicht ausreicht, könnten Sie sich dann auch vorstellen, die Polizei für Bürger anderer EU-Staaten zu öffnen?

Henri Kox: Das ist derzeit keine Priorität. Das Parlament hat jedoch mit breiter Zustimmung angeregt, diese Möglichkeit zu prüfen. Ich werde mich dieses Dossiers annehmen, aber momentan haben wir andere Baustellen in der Polizei, die ich erst beenden möchte, bevor ich im nächsten Jahr eine neue eröffne.

Luxemburger Wort: Wie wollen Sie denn sicherstellen, dass die luxemburgische Polizei luxemburgisch bleibt?

Henri Kox: Warum sollte sie denn ausländisch werden? Die luxemburgische Sprache bleibt eine Voraussetzung. Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem wir es EU-Bürgern erlauben, Bürgermeister zu werden, der per Gesetz der Chef verschiedener polizeilicher Administrationen ist. Wir vertrauen dem Chef, aber nicht dem, der es vor Ort umsetzen soll?

Luxemburger Wort: Bis 2023 gehen natürlich auch Polizisten in Rente. Wie hoch ist diese Zahl genau?

Henri Kox: Das weiß ich nicht. Es geht aber auch nicht um die konkreten Zahlen. Wir können die Verluste auffangen, weil viele noch länger bleiben, um den letzten Dienstgrad zu erreichen, was auch legitim ist. Das Ziel ist, dass die Sollstärke von 2 409 Personen am 1. Januar 2021 auf 3126 am 1. Januar 2026 steigt. Die Abgänge sind darin bereits eingerechnet, dazu kommen eben 607 Polizisten und 240 Zivilisten.

Luxemburger Wort: Der Einstellungsprozess wurde reformiert, Kritiker sprechen von einer Absenkung der Kriterien. Wie reagieren Sie darauf?

Henri Kox: Das ist die typische Schuldebatte über das "Nivellement vers le bas". Ich halte dem entgegen, dass der Horizont des Polizisten heute viel größer als früher ist, weil er sich mit mehr Dingen beschäftigen muss. Wir müssen in erster Linie das Fundament schaffen, beispielsweise die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit, der Schutz vor physischer Gewalt und die Leute dazu motivieren, sich selbst weiterzubilden. Wir müssen die Schwächen, die jeder hat, identifizieren und dann ausmerzen. Die Polizei - verfügt über das Monopol der Gewaltausübung, das ist eine große Verantwortung, die verlangt, dass man sich selbst infrage stellt.

Luxemburger Wort: Die theoretische Ausbildung wird von zwei auf ein Jahr reduziert, was mit sich bringt, dass die Schüler acht Unterrichtsstunden pro Tag haben. Dies entspricht dem Lehrumfang einer Première. Was bleibt dabei mehr auf der Strecke, der Polizeischüler oder die Materie?

Henri Kox: Ich komme aus der Schule und habe mich dort für handlungsorientierten Unterricht begeistert. So kann man das Gelernte direkt in die Praxis umsetzen. Im ersten Jahr erhält der Rekrut sowohl Theorie als auch Praxis. Aber auch im zweiten Jahr erhält er Theorie und wird nicht alleine gelassen.

Luxemburger Wort: Ab dem zweiten Jahr an der Polizeischule begleitet der Rekrut erfahrene Beamte bei ihrer Arbeit, ist das wirklich eine Verstärkung oder nicht eher eine Belastung bei der alltäglichen Arbeit? Werden die älteren Polizisten auf ihre Rolle als Ausbilder vorbereitet, die haben vielleicht auch schon länger nicht mehr mit jungen Kollegen zusammengearbeitet?

Henri Kox: Wenn Sie sich die Realität vor Ort anschauen, dann merken Sie, dass viele junge Polizisten im Einsatz sind. Das heißt, der Junge ist mit Jungen unterwegs. Natürlich ist es aber eine große Herausforderung, weil es neu ist. Vor allem für die Polizeischule, die bisher auf 100 Rekruten ausgerichtet war und jetzt verdoppeln wir die Zahl. Die Lehrer sind meist keine klassischen Lehrer, sondern Experten von außerhalb. Bei der Schule möchte ich mich mit meiner Erfahrung aus dem pädagogischen Bereich besonders einbringen, denn hier wird das Fundament gelegt.

Luxemburger Wort: Wird es Weiterbildungen für die erfahrenen Polizisten geben?

Henri Kox: Es gibt bereits jetzt ständig Weiterbildungen, die ich aber noch nicht kenne, weil ich diesen Bereich noch nicht besucht habe. Diese finden oftmals im Ausland statt, das könnten wir andern und vieles hierzulande und über Videokonferenzen organisieren.

Luxemburger Wort: Für hoch spezialisierte Posten wollen Sie zunehmend Zivilisten anwerben. Müssen diese eine spezifische Polizeiausbildung absolvieren?

Henri Kox: Diese Diskussion hatte ich rezent mit den Vertretern der Police judiciaire. Das Kriterium der Ehrbarkeit wird auch für Zivilisten gelten, das werde ich im Gesetz anpassen. Am 29. Oktober werde ich das in der Chamber diskutieren. Man muss die Leute an ihre Arbeit heranführen, nicht jeder ist vor Ort aktiv und die, die es sind, müssen darauf vorbereitet werden. Es handelt sich bei den Zivilisten allerdings nicht um Waffenträger. Diese Aufgabe ist nicht einfach, aber die Gesellschaft ist mittlerweile so komplex geworden, dass man Wissen aus unterschiedlichen Bereichen braucht. Es ist zudem eine Chance, die Polizisten bei ihrer Arbeit zu entlasten.

Luxemburger Wort: Befürchten Sie nicht, dass diesen wegen mangelnden Stallgeruchs in Verbindung mit besseren Karrieremöglichkeiten mit Misstrauen begegnet wird?

Henri Kox: Wenn wir das Problem mit den Karrieren gelöst und die Besoldungsgruppe BI eingeführt haben, dann dürfte die Entwicklung gar nicht so schlecht sein. Die größte Sorge besteht im Bereich BI und Cl, wir wollen künftig vor allem für die Karriere BI rekrutieren, was aber nicht bedeutet, dass wir für die Stufe Cl niemanden mehr einstellen. In einigen Bereichen stellt sich die Frage, ob wir die Polizeiarbeit nicht neu definieren können. Der Gefangenentransport wird von Vertretern der Stufe C 2 gewährleistet, diese Leute sollen auch Aufstiegsperspektiven haben, wenn sie die nötigen Schulungen absolvieren.

Luxemburger Wort: Viele Leute sind auch absolut überqualifiziert.

Henri Kox: Das stimmt, beispielsweise im Bereich der Bewachung öffentlicher Gebäude, wo die Polizei die Armee unterstützt. Wir haben Leute, deren Qualifikation ihnen es erlauben würde, andere Aufgaben zu erledigen, als das Außenministerium zu kontrollieren. Mir wurde gesagt, dass wir sechs Personen brauchen, um einen Vollzeitposten zu ersetzen. Diese Beamten fehlen an anderen Stellen. Hier will die Armee ein Berufsbild für Personen aufbauen, die keine Première haben, aber trotzdem Karriere in einem Bereich mit Perspektiven machen können.

Luxemburger Wort: Sie sprechen die Armee an, könnte man sich zukünftig eine noch engere Zusammenarbeit vorstellen? Nach ihrer Grundausbildung auf dem Herrenberg wissen viele Soldaten nicht wohin.

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