Interview d'Étienne Schneider avec le Luxemburger Wort

"Wir können heute auch Aktivitäten anziehen, die wir früher nicht zu uns gelockt hätten"

Interview: Luxemburger Wort (Christoph Bumb)

Luxemburger Wort: Herr Schneider, auf dem letzten Parteitag der LSAP haben Sie zur Halbzeitbilanz der Regierung gesagt: "Nicht alles hat geklappt, aber wir haben viel bewegt..." Was hat nicht so gut geklappt?

Étienne Schneider: Was sicher nicht geklappt hat, war das Referendum. Es ist komplett anders ausgegangen, als wir uns das erhofft hatten. Das Ausland lehrt uns aber, dass es für Regierungen in der heutigen Zeit wohl generell schwierig ist, ein Referendum zu gewinnen. Es wird nicht nur auf die konkrete Frage geantwortet, sondern als großes Ventil für jegliche Unzufriedenheit genutzt. Gut, wir akzeptieren das Resultat und müssen jetzt damit leben. Im Rückblick würde ich das Referendum aber so nicht mehr machen. Die so geäußerte Unzufriedenheit kam aber wohl auch zustande durch unsere Sparanstrengungen mit dem "Zukunftspak". Das ist ein zweiter Punkt, wo ich sage, dass ich das heute nicht mehr so machen würde.

Luxemburger Wort: Das "Zukunftspak" war ein Fehler?

Étienne Schneider: Ja, und ich sage Ihnen auch warum. Wir waren der festen Überzeugung und auch guten Mutes, dass dies der richtige Weg wäre, um die Staatsfinanzen zu sanieren. Jedes Ministerium machte sich seine Gedanken, so dass wir mit vielen, relativ kleinen Maßnahmen ein Gleichgewicht der Finanzierungslast herstellen wollten. Indem wir die einzelnen Maßnahmen aber auf alle Bürger verteilt haben, haben wir auch sichergestellt, dass wirklich jeder im Land persönlich unzufrieden war. Aus heutiger Sicht würde ich das nicht mehr so machen. So blöd wäre ich heute nicht mehr ...

Luxemburger Wort: Was wäre denn die schlauere Alternative gewesen?

Étienne Schneider: Schlauer wäre gewesen, einfach die Steuern zu erhöhen ...

Luxemburger Wort: Das haben Sie ja zusätzlich zum "Zukunftspak" auch gemacht ...

Étienne Schneider: Ja schon, aber es war eben auch nur eine Maßnahme von vielen. Zum Beispiel die 0,5 -Prozent -Steuer. Das war ja eigentlich lächerlich. Der Aufwand und die Reaktionen standen in keinem Verhältnis zu den Einnahmen im Haushalt. 

Luxemburger Wort: Was hat die Regierung bewegt? Was wird das Vermächtnis von Blau -Rot -Grün sein?

Étienne Schneider: Wo soll ich anfangen? (lacht) In zwei Jahren werden wir eine lange Liste von wichtigen Reformen vorlegen können, die diese Regierung durchgesetzt hat. Auch die nicht geplanten Herausforderungen haben wir gemeistert, siehe die Flüchtlingskrise, die wir gemeinsam mit den Gemeinden, allen Verwaltungen, aber auch im Dialog mit den Bürgern wirklich vorbildlich gemanagt haben. Wir können uns auch glücklich schätzen, dass es keine radikalen Ressentiments wie in anderen Staaten gibt. Die Luxemburger sind vernünftig und solidarisch. Das haben die letzten Monate gezeigt. 

Luxemburger Wort: Was wird noch auf der Liste von abgehakten großen Reformen stehen?

Étienne Schneider: Ein Thema, das auch meiner Partei sehr wichtig ist, ist die Trennung von Kirche und Staat. Die ist so gut wie in trockenen Tüchern. Weitere Dinge, auf die wir stolz sein können sind die Kindergeldreform, der flexiblere Elternurlaub, der Mietzuschuss, die Reform der Adem ... Ich könnte noch viel mehr aufzählen. Wichtig sind aber auch die Anstrengungen dieser Regierung, um das Land von den schwarzen und grauen Listen der Welt zu streichen. Wir haben sofort und unter Druck gehandelt. Der Druck kam vor allem aus der Finanzbranche, wo man uns sagte, dass eigentlich alles beim Alten bleiben könnte. Wir haben, uns durchgesetzt und jetzt zeigt sich, dass der Standort Luxemburg mindestens so gut aufgestellt ist wie früher.

Luxemburger Wort: Wie lautet Ihre Zwischenbilanz als Wirtschaftsminister?

Étienne Schneider: Wir haben einen Kurswechsel eingeleitet. Wir können heute auch Aktivitäten anziehen, die wir früher nicht zu uns gelockt hätten. Etwa die Headquarters von großen Unternehmen und Banken. Wir können auch überhaupt nur darüber diskutieren, ob wir vom Brexit profitieren, weil wir uns reingewaschen haben. Wir sind bei der Diversifizierung der Wirtschaft wirklich vorangekommen. Stichwort Logistik: Seit 2013 haben wir fast 150 000 Quadratmeter an zusätzlichen Logistikkapazitäten geschaffen. Auch bei der klassischen Industrie können wir Erfolge wie jüngst im Fall der Investition von 350 Millionen Euro bei DuPont vermelden. Insgesamt zeigt sich, dass Firmen nicht wegen flexiblen Steuermodellen oder niedrigen Löhnen zu uns kommen, sondern wegen dem Know-how und der politischen und sozialen Verlässlichkeit. Das stellt mich sehr zufrieden.

Luxemburger Wort: Und in den anderen Ressorts?

Étienne Schneider: Die Reform der Polizei war überfällig. Mein Vorgänger hat lange daran gearbeitet. Ich habe das Projekt noch einmal neu durchdacht, denn nur mit einem externen Audit konnte die Reform zum Erfolg werden. Es ist ja bezeichnend, dass sich die politische Kritik jetzt vor allem auf die Form und nicht auf den Inhalt bezieht. Es ist aber letztlich wie bei allen Umstrukturierungen: Man kann und muss mit den Beteiligten diskutieren, aber irgendwann ist der Moment da, wo politisch entschieden wird. Das tue ich und ich bin zuversichtlich, dass uns die Resultate am Ende Recht geben werden. Zur Restrukturierung der Armee läuft derzeit noch die Vorarbeit. Deshalb werde und kann ich mich erst im Herbst dazu konkreter äußern.

Luxemburger Wort: Bei all Ihren Aufzählungen der Erfolge war jetzt die Steuerreform gar nicht dabei ...

Étienne Schneider: Die habe ich jetzt unbewusst übersprungen... (lacht) Noch ist die Reform ja nicht verabschiedet. Sie wird aber ein Erfolg werden, vor allem weil wir zum ersten Mal seit langer Zeit den Schwerpunkt auf die niedrigen und mittleren Einkommen legen. Gleichzeitig haben wir den Spitzensteuersatz erhöht. Unsere Steuerreform ist eine ausgewogene Steuerreform mit sozialem Charakter.

Luxemburger Wort: Wie kann eine Steuerreform wirklich sozial gerecht sein, wenn auch Einkommen von 20 000 Euro pro Monat entlastet werden?

Étienne Schneider: Diese Entlastungen bewegen sich aber im minimalen Bereich. Das liegt leider zum Teil im System. Wir haben es aber fertig gebracht, dass die unteren Einkommen am meisten von der Reform profitieren. Diesen wahren Paradigmenwechsel kann keiner wegdiskutieren.

Luxemburger Wort: Ihre Partei wollte aber noch mehr. Stichwort: Stärkere Besteuerung von Kapitalerträgen, Vermögensteuer, Grundsteuer ...

Étienne Schneider: Bei den Kapitalerträgen von Personen ist ja was passiert. Wir werden die Quellensteuer auf Zinserträge von zehn auf 20 Prozent verdoppeln. Ich bin auch froh, dass wir die Senkung der Körperschaftssteuer mit Mehreinnahmen bei der Besteuerung der Soparfi zumindest teilweise kompensieren können. Die Vermögensteuer war mit unseren Koalitionspartnern nicht zu machen. Und zur Grundsteuer laufen die Vorbereitungen schon seit geraumer Zeit. Man muss wissen, dass die Materie hier aber so komplex ist, dass keine Schnellschüsse zu erwarten sind. Ich bezweifle leider auch, dass wir die Reform der Grundsteuer noch in dieser Legislaturperiode verabschieden können. 

Luxemburger Wort: Bei der Vorstellung der Steuerreform haben Sie gesagt, dass die Regierung ihre drei wichtigsten Ziele schon erreicht habe: Das Budget wurde saniert, das Wachstum ist zurück und die Arbeitslosigkeit sinkt ...

Étienne Schneider: Ja, eigentlich könnten wir jetzt schon wählen gehen ... (lacht) 

Luxemburger Wort: Das wäre meine nächste Frage gewesen: Ist die blau -rot -grüne Mission schon nach zwei Jahren erfüllt?

Étienne Schneider: Nein, natürlich nicht. Wir haben noch viel vor. Wir haben die Staatsfinanzen saniert, natürlich auch auf der Grundlage von Maßnahmen, die schon von der Vorgängerregierung getroffen wurden. So ehrlich muss man sein. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass diese Koalition besonders in der Budgetpolitik und in Sachen Image des Finanzplatzes, mutig und beherzt gehandelt hat. Strategisch haben wir aber alles richtig gemacht: Alle Maßnahmen, die weh tun, aber unbedingt notwendig sind, machen wir gleich am Anfang. Hier ist die Mission erfüllt, das ist durch. Damit haben wir uns aber erst den finanziellen Spielraum verschafft, um jetzt auch im wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Bereich Akzente zu setzen. Bis diese Maßnahmen, wie die Steuerreform oder der neue Elternurlaub greifen, dauert es aber noch. 

Luxemburger Wort: Also lieber noch keine Wahlen?

Étienne Schneider: Nein, die Wahlen sind 2018. Und die Bürger haben bis dahin durchaus noch Zeit, um unsere Anstrengungen anzuerkennen und gewissermaßen mit uns Frieden zu schließen. Die Früchte unserer Arbeit werden erst noch geerntet. 

Luxemburger Wort: Sie führen die schlechten Umfragewerte also nur auf die materiellen Einbußen der Bürger zurück?

Étienne Schneider: Nicht nur, aber vor allem. Natürlich gibt es immer noch ein Revanchedenken einiger Bürger, die vor allem meinen Freunden von der DP vorwerfen, dass sie nach den Wahlen 2013 nicht das getan haben, was sich viele von ihren Wählern erhofft hatten, nämlich mit der CSV zu regieren. Auch gegenüber der LSAP gibt es wohl vereinzelt so eine Stimmung, weil wir die Koalition mit der CSV damals letztlich aufgekündigt haben. Das sollte man aber nicht überbewerten. So funktioniert Politik und nicht jeder ist davon begeistert. Ich denke, dass diese Dinge irgendwann nicht mehr entscheidend sein werden. Wir haben zumindest die Chance, das Ruder mit unserer Politik herumzureißen.

Luxemburger Wort: Sie glauben also noch an eine zweite Amtszeit von Blau -Rot -Grün?

Étienne Schneider: Natürlich. Es war noch nie so und wird auch nie so sein, dass Wahlen schon zweieinhalb Jahre vorher gewonnen oder verloren sind. Zwei Jahre vor den Wahlen kann man jegliche Umfragen eigentlich "op den Tipp" werfen.

Luxemburger Wort: Sie persönlich lesen also keine Umfragen?

Étienne Schneider: Ja doch, ich lese Sie. Sie sind ja auch interessant, aber man sollte das wirklich nicht überbewerten. 

Luxemburger Wort: Das Ziel ist 2018 aber eine Fortführung dieser Koalition?

Étienne Schneider: Absolut. 

Luxemburger Wort: Eine Koalition mit der CSV ist aber auch nicht ausgeschlossen, oder?

Étienne Schneider: Die CSV hat jetzt schon die Weichen für die kommenden Wahlen gestellt. Das werde ich nicht weiter kommentieren, außer, dass Claude Wiseler es in den kommenden zwei Jahren nicht leicht haben wird. Persönlich schätze ich ihn und verstehe auch seinen taktischen Zug, um die Kandidatenfrage jetzt zu klären. Wahltaktisch könnte sich dieser Schritt aber noch als problematisch erweisen. Zur Frage: Unser Ziel ist es, diese Koalition mit ihrer Politik fortzuführen. Alles andere steht zur Zeit nicht zur Debatte.

Luxemburger Wort: Wenn es zur zweiten Amtszeit von Blau -Rot -Grün reichen sollte - dann auch mit einem Premier Etienne Schneider? Sie hatten das ja schon einmal versprochen ...

Étienne Schneider: Ach, wissen Sie ... (lacht) Sie wissen genau, warum ich das damals so gesagt habe. Es ging darum, das bis dahin ungeschriebene Gesetz, dass nur die stärkste Partei den Premier stellen darf, in Frage zu stellen. Ich bin sehr zufrieden mit meiner aktuellen Rolle. Und ich schlafe auch als Vizepremier gut. Für den Rest gilt der Satz, den ich Ihnen schon einmal gesagt habe ... "Premier, Vizepremier oder näischt" ... Ich kann mir jedenfalls vieles vorstellen. 

Luxemburger Wort: Verstehen Sie denn jene Leute, die sagen, Etienne Schneider sei der, der in der Koalition den Ton angibt?

Étienne Schneider: Ich verstehe es, sehe es aber eher als ein vergiftetes Kompliment. Das Neue an dieser Koalition ist, dass wir wirklich auf Augenhöhe diskutieren. Und, dass wir überhaupt diskutieren - wenn ich die Arbeit mit den letzten zwei Jahren der Vorgängerregierung vergleiche. Der Ministerrat ist wieder der Ort, wo ohne Überheblichkeit oder Belehrungen über den besten Weg zur Erreichung von politischen Zielen diskutiert wird. Und unsere Ergebnisse geben dieser neuen Arbeitsmethode Recht. Leute, die denken, dass einer dem anderen etwas vorschreibt, verkennen die Art, wie wir zusammenarbeiten. 

Luxemburger Wort: Alles super also? Nie Streit? Immer einer Meinung?

Étienne Schneider: Natürlich ist nicht alles super und natürlich gibt es Meinungsunterschiede. Diese führen aber nicht zum Streit oder zur regierungspolitischen Blockade. Xavier Bettel, Felix Braz und ich verstehen und vertrauen uns. Wir klären alles im kleinen Kreis, wenn es sein muss. Wenn wir uns nicht so gut verstehen würden, würden wir doch auch nicht zusammen zum Public Viewing gehen ... (lächelt)

Dernière mise à jour